2024
I.
Blättere in einem Werbeheft/Kompendium der Münchner Museen und Galerien. Mein Blick bleibt bei einem Bild eines „Würfels“ stehen (an den Seiten jeweils Buchstaben anstatt Zahlen) umrankt von vierblättrigen Kleeblättern. In einem anderen Heft, zusammengestellt für den Kunstpavillon in der Sophienstraße, eine Auflistung von Berufen, die gemeldete Künstler*innen zwischen 1949 und 1951 ausgeübt haben. Ich lese unter anderem: „Wohlfahrtsunterstützung, Frau hat Obstkarren“ und „Frau bittet durch Besuch die Leute um Portrait-Aufträge“. Erst gestern habe ich in The Guardian gelesen, dass der durchschnittliche Stundenlohn von Künstler*innen in England bei ca. 2,50 Pfund liegt.
Durch das Gebüsch kriechend. Mitten in der Kaffee-Kränzchen Fahrt eine Einsicht (Sehnsucht = die Sucht nach dem Sehnen?).
Carl Rottmann’s Bild „Salamis“ aus seinem Griechenland Zyklus: kleine Hütte mit Strohdach, Pferde grasen daneben, in der Mitte des Bildes ein unbestreitbares, ausuferndes Nichts.
Rottmann bestellte für seine Griechenland Reise vergeblich Malutensilien aus England – sie kamen nie an. Seine Arbeiten sind folglich auf unterschiedlichen Malgründen und Formaten ausgeführt. Seine spätere Säulenstruktur mit Vordach für die Neue Pinakothek in München existiert heute nur noch als nachempfundene Idee oder Modellkonstruktion. Die Regie der Lichtführung war wohl wichtig, denn es ließ seine Landschaften im hellen Licht erstrahlen (und steigerte die Sehnsucht?).
Sein Weggefährte blieb, wenn man seine angefertigten Skizzen betrachtet, wohl ein Tourist. Rottmann spürte einer verklärten Ebene der Landschaften nach: „What draws you to this landscape?“
Ingmar Bergman: „Als ich im Juli 1918 geboren wurde (…) übergab ich mich oft und hatte ständig Bauchschmerzen.“ (…) „Plötzlich übergab ich mich und reiherte alles voll.“
II.
„Ein Klick und die Zeit steht still“, so steht es plakativ auf meinem Fotoordner gedruckt. In Kaye Donachie's Arbeit „How colourfully each other self unwinds“ (2005, Öl auf Leinwand) scheint die Zeit im Stillstand zu sein, gefangen in einem Moment der Bewegung. Cause and effect – wie ein Uhrwerk laufen die Dinge hier ab: die Figuren sind aufeinander beziehend und teilweise gruppierend in Szene gesetzt, jedoch wirkt jede Figur als alleinstehender Akteur, der sich auf seiner eigenen Bahn bewegt, ohne die Anderen wahrzunehmen.
Baumstämme ragen wie Mahnmale empor. Der Ast eines Baumes wirkt wie ein Pfeil oder ein Blitz, und bildet in seiner Form ein Echo zur Ausholbewegung einer Figur. Eine Spannung entsteht zwischen den stehenden Figuren und der Figur, die wie gelähmt am Boden liegt und nach unten blickt (unterwürfig? Scheu?).
Interessant ist auch der helle Boden. Dieser wirkt als Bühne und beengt den Handlungsspielraum der Figuren, die sich lediglich innerhalb dieser Begrenzung befinden. Nicht zu vergessen der schwarze Kreis, der sich mit dem Gesicht der Figur rechts überschneidet. Wie ein Luftballon und Fremdkörper im Raum, der jeden Augenblick platzen könnte.
Wenn die Zeichnung (oder eine andere künstlerische Ausdrucksweise) gleich einem Tagebuch sein soll, kann sie nicht für das öffentliche Zeigen von vornherein gedacht sein, da ein Tagebuch eine private, nur für sich selbst bestimmte Ausdrucksform ist.
III.
Das Konzept des Entschleunigen. Etwas Ruhen lassen. Vielleicht muss man erstmal den Papierflieger falten, und dann die Schattenwürfe zeichnen?
Today I read the poem „The Time I was Mugged in New York City“ by Imogen Wade. Full of tenderness for a former self, perhaps on the cusp of something, woozy and vulnerable. The danger of exploitation is ever present when embarking on new ventures. Ultimately, we can weave these experiences into a rich, ambiguous tapestry from which a new kind of poetic clarity can emerge. A springboard. Entering a different space, wide open and comfortingly infinite.
Die Bedingungen sind für alle gleich (obgleich die Ergebnisse sehr unterschiedlich sind): ein weißes (DIN A4?) Blatt Papier, ein schwarzer Stift, eine klare Vorgabe. Keine Buntstifte, Glitzerstifte, Ölfarben oder Ähnliches, womit man auf Effekte zielen könnte. Insgesamt sind die Zeichnungen sehr bewegt, dass liegt wahrscheinlich an der Situation die, à la Drawing Restraint, begrenzt ist: zeitlich und situativ, d.h. mit einem gewissen Druck verbunden. Man vermutet, dass die Zeichner/Fußballstars während dem Zeichnen die Geschehnisse mündlich ihrem Gegenüber erklärt haben, denn alle Zeichnungen besitzen einen sehr fragmentären Charakter. Tastend, wie erste Schritte in einem unbekannten Medium, wirken die Zeichnungen. Vermittelt wird der Moment des Tor-Erzielens als ein Akt des kreativem, instinktivem Chaos. Struktur ist aufgehoben zu Gunsten eines persönlichen Mind-Maps, Emotionen bestimmen hier den Verlauf. Mein persönlicher Favorit ist Mario Kempe`s Zeichnung (vom Finale am 25.06.1978, Argentinien vs. Niederlande): die Schlangenlinie, die wohl den Verlauf des Balles ins Tor darstellen soll, kontrastiert mit emphatischen senkrechten und waagrechten (etwas gekippten) Linien. Vor dem Tor bevor der Ball ins Netz gelangt, ist eine Art Blitzzeichen dargestellt – ein Hinweis auf den magischen Funken der beim Torerzielen übergesprungen ist? Oder etwa ein Symbol der Gefahr? Einem Labyrinth oder einer Pin-Ball-Maschine ähnlich wird das Spiel, in schwarzen Linien gebannt, auf dem Papier entschieden.
„Reingezeichnet“, SZ Magazin Nr. 13 (28. März 2024)
Hallucinated the phrase „freelance artist“ on an Instagram caption today.
„Paradise” Slogan on card received for birthday
„Das ist Geschichte. Das kann man nicht mehr ändern.“ Frau in der U-Bahn.